Gelassenheit, die beeindruckt

Trauerfeier auf dem Land

Vor einigenTagen war ich auf dem Land in einem kleinen Dorf, eineinhalb Stunden von Medellín entfernt, bei einer Trauerfeier. Die Mutter einer sehr guten Freundin meiner Freundin Olga war gestorben. Sie wurde 84 Jahre alt, war lange Zeit schon an Alzheimer erkrankt und wurde zu Hause gepflegt und palliativmedizinisch betreut. Palliative Versorgung zu Hause ist hier eine Seltenheit, habe ich erfahren. Es gibt anscheinend nur 3 Palliativärzte, die Hausbesuche machen in dieser 3,5 Millionenmetropole Medellín. Zur Trauerfeier: In der riesigen Kirche versammelten sich etwa 90 Menschen, teils in schwarz gekleidet, teils in weiß, das sind die Trauerfarben hier. Viele Menschen waren in normaler Alltagskleidung angezogen. Es war eine katholische Messe für die Verstorbene. Obwohl ich ganz gut spanisch kann, habe ich wenig verstanden. Der Priester sprach mit Mikrofon und es hallte ungeheuerlich. Als ein Gitarist mit Verstärker spielte und sang hätte ich mir fast die Ohren zugehalten, so laut war es.

Skurile Urnenbeisetzung

So, und jetzt kommt der Teil, der mich besonders beeindruckt hat: Nach der Messe war die Urnenbeisetzung in der Krypta, die in einem Seitenflügel der Kirche ist. Die Familie und enge Freund*innen, zu denen ich mich zählen durfte, bewegten sich zu dem schmiedeeisernen Tor zur Krypta hin. Eine größere Gruppe stand vor dem Tor und wartete, die älteren, etwas gebrechlichen Frauen konnten kaum mehr stehen. Ich wusste erst gar nicht was los war. Schließlich war klar: Das Tor war verschlossen und keiner hatte den Schlüssel. Zwar war alles am Vortag von der Tochter mit dem Beerdigungsinstitut abgesprochen worden, aber die Tür war zu. Schließlich wurde ein Mensch mit Schlüssel aufgetrieben, der im Jogginganzug missmutig das Tor öffnete. Was dann kam, war wie in einem Film mit viel schwarzem Humor. Die Kachel vor dem Einschubfach wurde abgeschraubt und ein sichtlich alter, verstaubter, länglicher Kasten, in dem die Urne ihre Ruhestätte findet, herausgeholt. Der eingeschobene Deckel musste jedoch erst noch abgemacht werden, doch er klemmte. Der Mann in Joggingklamotten hatte hierfür nur einen Schraubenzieher bei sich. Es war ein Herumprobieren, Klopfen, Ziehen und Zerren. Zwei Männer knieten am Boden und gaben ihr Bestes. Und die Umstehenden waren zunächst betroffen, dann kamen zahlreiche Ratschläge, wie es gehen könnte und dezentes Kopfschütteln. Schließlich war der Deckel ab. Aber: Die Urne passte nicht hinein. Der Kasten war voll mit den Gebeinen der Eltern der Verstorbenen. Diese wurden, so habe ich später erfahren, vor vielen Jahrzehnten im Sarg beigesetzt und ihre Knochenreste vor einigen Jahren in das Urnenfach umgesetzt. Diese nahmen jedoch so viel Platz ein, dass die aktuelle Urne nicht mehr hineinpasste. Also musste die Urne geöffnet und der Beutel mit der Asche so in den Kasten gelegt werden. Eine Anwesende machte eine skurile Bemerkung: Nur gut, dass Maria, die Verstorbene, so dünn war, so dass es nur ein relativ kleiner Beutel mit Asche ist. Dieser wurde schließlich in den Kasten gestopft, der Deckel zugemacht, der Kasten in den Einschub bugsiert und die Kachel wieder davor geschraubt – mit einer Schraube, die drei anderen fehlten. Wir hofften alle, dass das hält. Es war eine solch bizarre Situation. Ich hätte loslachen und gleichzeitig losweinen können; ich war betroffen und entsetzt und empfand diese Urnenbeisetzung recht würdelos und unorganisiert. Der Priester war auch gar nicht mitgekommen. Es ging offensichtlich nur darum, die Urne zu verstauen und fertig. Alle nahmen das Geschehen ganz gelassen hin. Schließlich gingen wir alle hinaus und es gab Kaffee in einem Restaurant neben der Kirche. Leichenschmaus gibt es hier also auch, allerdings ohne Alkohol. Das Geschehene war überhaupt kein Gesprächsthema. Ich war hierüber ganz irritiert und fragte nach, wie die anderen das Szenario in der Krypta erlebten. Es kam gelassenes Schulterzucken. Das sei eben hier so. Und es nütze doch nichts, sich aufzuregen. Das würde doch nichts ändern. Was solle man machen, hieß es, hier sei eben Vieles unorganisiert, chaotisch. Aber es hätte dann doch alles geklappt. Ich erntete Verwunderung über mein Erstaunen und mein kaum zu verbergendes Entsetzen. Und ich bemerkte, wie deutsch ich doch bin und wie anders hier Vieles ist. Da prallen Welten aufeinander. Ich bin nachhaltig beeindruckt und freue mich über das Mitendrindabeisein. Mal sehen, ob ich hier mit der Zeit auch soo gelassen werde.

Selbstreflexion: Beobachten ohne zu werten

Beim erneuten Durchlesen der ersten Textversion des vorangegangenen Textes fiel mir auf, nein, habe ich mich dabei ertappt, wie ich die oben geschilderte Situation sehr negativ bewertet habe. Daraufhin habe ich den Tet überarbeitet und von meinen Eindrücken gesprochen. Ich nehme mir vor, weiterhin achtsamer mit der Bewertung von Situationen umzugehen oder diese möglichst ganz zu vermeiden. Es ist hier einfach Vieles anders, als ich es kenne. Punkt. Und die Menschen gehen mit Situationen anders um. Das ist spannend zu erleben. In meinen Workshops sage ich das oft: Versucht mal die Bewertung rauszunehmen und hinterfragt das Verhalten von anderen lieber. Eine charmante Möglichkeit seine Iritation oder Ärger über das Verhalten einer anderen Person auszudrücken ist diese Aussage: Ich wundere mich, dass Du das so gemacht hast. Auf diese Art vermeide ich eine vorwurfsvolle Haltung und kann Verletzungen oder Rechtfertigungsarien bei meinem Gegenüber verbeugen.

Oder, wie siehst Du das? Schreib mir gerne einen Kommentar.

Fragen und Antworten

Immer wieder werde ich gefragt, wo und wie ich hier in Kolumbien lebe. Heute gibt es ein paar Antworten. Und für diejenigen, die erst ab hier meinen Blog lesen: Ich heiße Armgard, bin gerade 58 Jahre geworden, liebe die Freiheit und lebe seit 2,5 Wochen in Kolumbien. Diesen mutigen und abenteuerlichen Schritt habe ich gewagt, weil ich mich in Kolumbien sehr wohl fühle, schon öfter hier war und meine kolumbianische Wahlfamilie hier lebt. 9 Monate lang habe ich alles geplant: in Berlin meine Wohnung aufgegeben, alles verkauft oder verschenkt, meine Auswanderung gut überlegt und so gut wie möglich vorbereitet: Versicherungen kündigen, neue Auslandskrankenversicherung finden, Steuerangelegenheiten regeln, meine Freiberuflichkeit vorübergehend aufgeben, Abschied nehmen von Freund*innen, Auftraggeber*innen, Workshopteilnehmer*innen, Familie, Nachbarn. Es gab viele letzte Male: Zum letzten Mal meine Wahlfamilienmenschen in Deutschland sehen und umarmen, bei meinem Kreuzberger Lieblingsvietnamesen essen, donnerstags bei Eleonora und Giovanna Biodanza tanzen, durch Berlin radeln, mit meinem geliebten roten Motorroller fahren, durch die Marheinikehalle bummeln, auf dem Markt einkaufen… Die letzten Wochen und Monate habe ich sehr bewusst erlebt. Und immer wieder kam mir der Gedanke: Was werde ich in Kolumbien wohl am meisten vermissen? Ich werde es erleben, ojala = hoffentlich….und darüber berichten.

Diesen Blog schreibe ich, um in Kontakt zu bleiben mit Menschen, die mich kennen, die meinen abenteuerlichen Weg verfolgen möchten, für alle, die interessiert sind an meinem großen Schritt in einen neuen Lebensabschnitt, die sich inspirieren lassen möchten und für mich. Durch das Schreiben und die Überlegungen, was Andere wohl interessieren oder erstaunen könnte, nehme ich Vieles hier bewusster wahr, halte inne, frage nach. Es ist auch ein Experiment und ein Ausprobieren und: ein Ringen mit der Technik. Mein Vorsatz: Es muss nicht perfekt sein und soll mir Spaß machen! Schreib mir gerne, was Du wissen möchtest und gib mir Rückmeldung. Hierfür gibt es die Kommentarfunktion. Ich freue mich auf Nachrichten. Das ist eine schöne Möglichkeit in Kontakt zu bleiben, finde ich!

O Wo lebst Du in Kolumbien? Ich lebe in einem pueblo = Dorf, namens Caldas, 1,5 Stunden von Medellìn entfernt, auf 1750m Höhe. Die Region, also quasi das Bundesland, heißt Antioquia. Ich finde, Caldas ist eher eine Kleinstadt, immerhin leben in dieser Gemeinde 82000 Menschen, darin sind viele weit verstreute Außenbezirke (veredas) eingeschlossen. Im Zentrum ist es quirlig, lebendig, laut, es gibt unzählige keine Läden, teils wird durch vergitterte Tore verkauft, es gibt Läden, in denen man wie früher an einer langen Theke ganz individuell bedient wird und Supermärkte gibt es auch. Im Zentrum sind viele Straßenhändler*innen, meist Männer, die Obst (Mangos, Ananas, Bananen, Papaya, …), Gemüse (Jucca, Tomaten, Avocado,…), Süßigkeiten verkaufen und teils laut anbieten. Von überall her schallt laute spanische Musik, Salsa, Ballenato… Im Zentrum ist, wie in wohl allen Dörfern hier, die plaza, ein quadratisch angelegter gut besuchter Platz mit Palmen, blühenden Pflanzen, Kaffeeverkäufern und zahlreichen Sitzgelegenheiten. Eine riesige Kirche dominiert den Platz. 95 % der Menschen sind katholisch, die Kirchen sind gut besucht. In vielen Alltagsfloskeln drückt sich die Gläubigkeit der Menschen aus. „Que dios te bendiga = Möge Gott Dich schützen“ oder „Si dios quiere = So Gott will“ hört man oft.

O Wie kam es zu deiner Entscheidung nach Kolumbien zu ziehen? Die Entscheidung fiel im März 2021. Ich kenne Kolumbien und v.a. Medellín schon viele Jahre, habe hier eine kleine Wahlfamilie mit wunderbaren Menschen, hatte den letzten Winter hier verbracht, mich sehr wohl gefühlt, die Wärme genossen.

Die Pandemie hat viel in mir in Bewegung gesetzt. Zunächst der Schock, dass alle Aufträge abgesagt wurden, was mich als Freiberuflerin (www.wende-gesundheitsmanagement.de) sehr getroffen hat. Dann die Erkenntnis, dass dieser Zustand lange anhalten würde, die Einsamkeit als Alleinlebende…Vieles machte mir zu schaffen und Sinnfragen beschäftigten mich: Wie will ich leben? Was gibt meinem Leben Sinn? Wer bin ich ohne zu arbeiten und ohne Anerkennung von außen zu bekommen? Mir wurde klar: Ich möchte Vieles ändern, nicht mehr alleine leben, raus aus Berlin, in der Natur und ohne 5 Monate Winter, also in einem warmen Land leben, Fixkosten senken, minimalistischer leben, achtsam und bewusst. Klar, in Kolumbien ist auch Pandemie, man muss ständig Maske tragen… aber es wird hier scheinbar keine Angst geschürt (ich gucke hier jedoch auch keine Nachrichten…), jedenfalls gehen die Menschen, denen ich begegne, gelassen mit der Pandemiesituation um. Ich wurde noch nirgens nach meinem Impfstatus gefragt… Die Gelassenheit tut gut.

O Wie hast Du den Umzug gemacht? Ich dachte zunächst, ich schicke einige Kisten per Seefracht. Aber das ist super teuer: 2qm kosten über 4000 Euro. Schnell war klar: So viel wie möglich verkaufen und verschenken! Das war ein Minimalisierungsakt, der viel Energie gebraucht hat. Von so vielen Dingen habe ich mich getrennt, was mir nicht leicht fiel. Schließlich habe ich 5 Kisten à 10 – 20 kg mit DHL hierhergeschickt. Das war die günstigste Möglichkeit und alle kamen an. Hurra!!! Glücklicherweise konnte ich bei verschiedenen Freudinnen ein paar Dinge unterstellen. Danke!!! Hierhergeflogen bin ich mit 3 Koffern à 23 kg und 8 kg Handgepäck und einem Einfachticket: Hergekommen um zu bleiben. Wao! Welch ein Schritt!

O Wie lebst Du in Kolumbien? Ich lebe bei meiner Herzensfreundin Olga, die von hier stammt. Wir haben uns vor Jahren hier kennen gelernt. Wir teilen uns eine 45 qm kleine Wohnung und richten sie gerade schön her. Mittelfristig möchten wir aufs Land ziehen und einen schönen, sicheren Ort finden.

Auch hier gibt es Regentage – 15-25 grad wärmer als im deutschen Winter

O Hast Du Arbeit? Was arbeitest Du? Ich lebe aktuell von Erspartem und genieße eine Sabbatzeit. Mit dem starken Euro ist das Leben hier günstig. Die Inflation ist spürbar. Vieles ist teurer als vor einem Jahr. Mal sehen, was sich arbeitsmäßig für mich ergibt. Es gefällt mir, hier langsam anzukommen, viel spanisch zu sprechen und immer mehr zu verstehen, Freund*nnen zu treffen, Ausflüge zu machen, in diese so andere Kultur einzutauchen, mich langsam zurecht zu finden und einzuleben. Jede Fahrt mit einem Bus ist ein kleines Abenteuer, da es kaum feste Haltestellen gibt bzw. man muss diese eben als solche kennen bzw. erkennen, Fahrpläne und Fahrzeiten gibt es bei den innerstädtischen Bussen nicht. Das Schöne ist, der Fahrer (mir sind bisher nur Männer begegnet) lässt einen raus, wo man möchte. Alle bedanken sich freundlich für diesen Service.

Kulturschock

Es ist hier so Vieles so ganz anders als in Deutschland. Einige Eindrücke aus dieser Kleinstadt Caldas: Es ist laut in der Stadt, das Leben findet draußen auf der Straße statt, viele Menschen sind unterwegs, es gibt unzählige kleine Läden, Bars, Restaurants, ambulante Händler, die Mangos, Avocados, Kerzen oder andere Dinge verkaufen und sie lautstark, teils mit Megafon, anbieten, laute Musik schallt aus allen Richtungen, Autos, Motorräder und knatternde Busse sind zackig unterwegs und hinterlassen eine Stinkwolke. Radfahrer*innen sehe ich wenig. Als Fußgänger*in hat man es schwer. Zwar gibt es Zebrastreifen. Doch diese werden von den Vehikeln kaum respektiert, so dass man auch da aufpassen muss wie ein Luchs, um nicht unter die Räder zu kommen. Nachts ist es besonders krass: Es gibt viele Autos und Motorräder, die ohne Licht unterwegs sind… Krasse Welten prallen in Kolumbien aufeinander: Es gibt protzige Autos, teure Anwesen, schicke Läden und auf der anderen Seite viel Armut, bettelnde Menschen, Straßenverkäufer.

Es ist interessant, in das Leben und die Kultur hier einzutauchen. Und es ist auch herausfordernd und anstrengend. Abend bin ich erledigt von den vielen Eindrücken, dem ständigen Spanischsprechen. Und was den Trubel betrifft: Mein Wunsch aufs Land zu ziehen wird größer. Mal sehen, wie es weiter geht.

Außerhalb des Zentrums sind Menschen auch mit und auf Pferden unterwegs

Die ersten Tage in Kolumbien

Ich tauche ein in diese so andere Welt. Es ist warm, nachmittags richtig heiß. Schwitzend mache ich einen ersten Spaziergang hinaus aus dem Ort Caldas, 1,5 Stunden von Medellìn entfernt. Schnaufend geht es den Berg hinauf. Immerhin liegt der Ort Caldas, in dem ich nun erst einmal leben werde, auf ca. 1700m Höhe. Es ist alles noch unwirklich. Erst vor wenigen Tagen bin ich bei Eiseskälte zum Berliner Flughafen gefahren. Über 25 Stunden Reisezeit von Haus zu Haus. Reine Flugzeit mit 2 Zwischenstopps in Madrid und Bogotà 19 Stunden. Alles lief gut, das ständige obligatorische Tragen einer FFP2-Maske nervte etwas. Da ich sehr erschöpft war schlief ich viele Stunden und dank eines günstigen Upgrades hatte ich einen breiten Sitz und viel Beinfreiheit. Das war wunderbar: Kein Ellenbogengerangel um die Armlehnen mit den Sitznachbarn, kein störender breitbeinig sitzender Mensch neben mir.

Sehr bewusst nehme ich hier alles wahr: Saftige Grüntöne der üppigen Vegetation, blüten überall, tiefblauer Himmel, später Wolken und Regen, mein Herzklopfen, meine Freude hier zu sein, gesund und kraftvoll die Gegend erkundend. Bereits letzten Winter war ich hier und kenne den Weg. Das gibt mir Sicherheit. Manche Menschen grüßen mich, ein Lächeln und ein hallo wird meist erwidert. Ich gehe auf der wenig befahrenen Serpentinenstraße den Berg hinauf. Das erscheint mir die sicherste Variante, wenn ich allein unterwegs bin. Sicher in dem Sinn, dass ich mich nicht verlaufe und noch andere Menschen unterwegs sind. So richtig durch die engen, verwinkelten Gassen zu gehen traue ich mich nicht so recht. Denn natürlich werde ich sofort als gringa erkannt, so nennen die Menschen hier alle Ausländerinnen. Diesen Blicken wollte ich mich an diesem Tag nicht so sehr aussetzen. Ja, ich bin Ausländerin hier und werde mich daran gewöhnen. Die Menschen begegnen mir mit viel Wohlwollen und sehr freundlich. Das liebe ich hier sehr: Die warmherzige, offene Art der Menschen. Ganz leicht komme ich ins Gespräch, u.a. mit einem Mann, bei dem ich eine Wasserflasche kaufe. Mein Spanisch ist ganz gut und ich genieße die Unterhaltung, die diese Standardfragen beinhaltet: wo kommst du her, seit wann bist du da, hast du hier Familie, wie lange bleibst du, was gefällt dir hier, warst du schon einmal da? Und ich antworte und frage: Ist der Weg sicher? Bist Du hier aufgewachsen?… Und gerade merke ich, dass ich viel weniger gefragt habe und nehme mir vor, das nächste Mal mehr zu fragen. Die Antwort auf meine Frage, ob es gefährlich ist, den Berg weiter hinauf zu gehen war interessant: es komme auf meine Haltung und innere Einstellung an. Wenn ich selbstbewusst meinen Weg gehe und darauf vertraue, dass Gott mich beschütze, werde mir nichts passieren. So sei das überall auf der Welt. Schließlich ging ich weiter den Berg hinauf, bis ich einen pinkelnden Mann am Wegesrand sah, an dem ich nicht vorbei gehen wollte. Auch hier pinkeln Männer wo es ihnen gerade passt…

Entscheidungen

Ja zu einem großen Schritt

Im März 2021 habe ich mich entschieden: Ich ziehe nach Kolumbien, nach Caldas/ Antioquia, eine Stunde von Medellín entfernt, im Landesinneren. „Echt, Du wanderst aus?“ waren erste Reaktionen. Auswandern klingt so groß und anfangs bin ich fast selbst erschrocken und hatte Herzklopfen, als ich davon sprach… Inzwischen spreche ich lieber von meinem Umzug dorthin, das klingt weniger endgültig. Denn: Erst wenn ich dort lebe, ankomme, mich mehr und mehr zurechtfinde, eintauche in das Leben, noch mehr Kontakte finde, mich geborgen und sicher fühle wird sich herausstellen, ob ich langfristig im schönen Kolumbien leben werde.

Ja zum Blog

Im Oktober 2021 habe ich mich dazu entschlossen, einen Blog zu schreiben. Angeregt haben mich viele Menschen, beruflich und privat, denen ich von meinen Kolumbienplänen erzählt habe. Zunächst hatte ich Hemmungen und fragte mich: Was will ich mit der Welt teilen? An wen richte ich mich? Was interessiert wen? Ist das nicht zu viel Selbstdarstellung? Was ist der Sinn? Und wie gehe ich mit negativen Kommentaren um? Und: Ich habe großen Respekt vor dieser Technik. Was auch eine Rolle spielt: Ich habe einen großen Perfektantreiber, das heißt ich will alles richtig richtig gut machen. Diesen kenne ich schon lange und mir gelingt es immer besser, mich nicht zu Höchstleistung anzutreiben.

Lust statt Frust

Dieser Blog soll mein Lustprojekt und kein Stressprojekt sein! Meine Texte richten sich an Menschen, die mich kennen oder kennenlernen möchten, die an meinem Abenteuer Leben in Kolumbien interessiert sind: Freund*innen, Familie, Wahlfamilie, Kolleg*innen, Auftraggeber*innen, Workshopteilnehmer*innen.

Mein Ziel: Ich möchte viele Menschen inspirieren, die interessiert sind an: Kolumbien, Leben in dieser fremden Kultur, Auswanderung ü 50, den eigenen Weg finden, Veränderungen wagen, sich weiter entwickeln, achtsam und bewusst leben.

Wie ich auf Kolumbien komme

Bereits 1994/95 lebte und arbeitete ich in Medellín, Kolumbien. Dies war möglich über die Sporthochschule Köln. Ich konnte im Rahmen einer Hochschulpartnerschaft an der öffentlichen Universidad de Antioquia in Medellin als Physiotherapeutin und, als meine Spanischkenntnisse ausreichend waren, an der Uni als Lehrbeauftragte am Institut für Sport arbeiten. Das war eine Herausforderung und wunderbare Erfahrung!

Biodanza eröffnet Welten

In den letzten Jahren war ich, dem deutschen Winter entfliehend, für mehrere Wochen in Medellín und habe an vielen Workshops in Biodanza teilgenommen. Hierbei habe ich wunderbare Menschen kennengelernt. Einige gehören heute zu meiner kolumbianischen Wahlfamilie.

Was Biodanza ist? Übersetzt heißt Biodanza Tanz des Lebens und wurde von dem chilenischen Antropologen und Psychologen Rolando Toro entwickelt. Es ist ein Tanzsystem, das tanztherapeutische Elemente enthält. Eine Biodanzasession folgt einer klaren Struktur und dauert 1,5-2 Stunden, in denen nach dem Anfangskreis untereinander nicht mehr gesprochen wird. Getragen und stimuliert von Musik findet freie Bewegung und Begegnung statt, mit den anderen Menschen und mit sich selbst, Ziel ist es, sich selbst und anderen näher zu kommen, so wie es für einen selbst stimmig ist, frei ohne Korrektur und ohne Druck.

Ziel ist es, tanzend und achtsam neue Erfahrungen auf körperlicher und seelischer Ebene zu machen, sich mit sich und anderen zu bewegen, sich selbst spüren, erkennen und annehmen, was gerade innerlich los ist, Lebensfreude und Lebendigkeit wachsen zu lassen.

Biodanza öffnet Herzen, macht frei und geschmeidig, bereichert, ermöglicht Glücksgefühle und fördert die persönliche Weiterentwicklung. Unter anderem dank meiner 6-jährigen Biodanzaerfahrung in vielen Gruppen in Deutschland und Kolumbien habe ich noch mehr zu mir selbst gefunden, mein Herz geöffnet, immer wieder Selbst-Bewusst-Sein genährt, mich freier gemacht von inneren Hemmungen, Klarheit gefunden darüber, was mir wirklich wichtig ist. Kurzum: ohne Biodanza hätte ich diesen Schritt nach Kolumbien nicht gewagt.