Kolumbien hat den Wechsel gewählt

El cambio – eine historische Veränderung steht an

Letzten Sonntag, am 19.6.2022, war die Stichwahl zwischen zwei Kandidaten, da sich im ersten Wahlgang vor drei Wochen kein Parteienbündnis mit der absoluten Mehrheit durchsetzen konnte. Der charismatische politisch linke Gustavo Petro, der in seinen 20er Jahren der Guerillagruppe M 19 angehörte, hat knapp gewonnen. Er erreichte 50,44 % und wird ab August mit dem Zusammenschluss „Pacto Histórico – Colombia Humana“ = „Historischer Pakt – Menschliches Kolumbien“ regieren. Gute 11 Millionen Menschen haben ihn gewählt. Der andere, konservative Kandidat Rodolfo Hernández erhielt 47,31 % der Stimmen. In Kolumbien leben gut 50,8 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 58%, das ist die höchste seit vielen Jahren. Kolumbien hat zum ersten Mal eine linksgerichtete Regierung.

Die Reaktion meiner FreundInnen

Wir trafen uns an den Wahltagen zur „Wahlparty“ und sahen auf youtube eine Diskussion unabhängiger Journalisten, die die eintrudelnden Ergebniss kommentierten. Wir waren für einen Sieg Petros. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass ein politischer Wechsel Vieles zum Besseren verändern wird. Der Frust über jahrzehntelange rechtskonservative Regierungen ist groß. Und in den letzten Jahren nahmen die soziale Ungleichheit, Korruption, Armut, Polizeigewalt und Kriminalität zu. Das Misstrauen in die Politik ist groß. Die Demokratie ist in Kolumbien seit längerem angeschlagen. Mir wird berichtet, dass Stimmen gekauft werden, Menschen zur Wahl eines bestimmten Kandidaten gedrängt werden. Außerdem: Politisch engagierte Menschen, soziale Führer, die für das Recht der indigenen Bevölkerung eintreten oder den multinationalen Ölkonzernen, die Raubbau an der Natur betreiben, die Stirn bieten oder die eine andere Politik fordern, werden umgebracht. Und ob bei den Wahlen überall alles rechtens zugeht ist auch fraglich. In vergangenen wahlen wurden mehrere nicht-konservative Präsidentschaftskandidaten ermordet. Allen ist klar: Politische und gesellschaftliche Veränderungen brauchen Zeit. Mal sehen, ob es der neuen Regierung gelingt, das gespaltene Land zu einen. Mal sehen, was sich in vier Jahren zum Besseren bewegen lässt.

Vizepräsidentin wird eine Frau mit afrokolumbianischen Wurzeln

Zum ersten Mal ist mit Francia Marquez eine afrokolumbianische Frau Vizepräsidentin. Sie stammt aus armen Verhältnissen aus einem Dorf an der Pazifikküste im Westen Kolumbiens. Sie ist Feministin, setzt sich u.a. für die indigene und arme Bevölkerung ein und ist engagiert im Umweltschutz. Sie erhielt vor allem in den Regionen Kolumbiens viele Stimmen, in denen Menschen afrokolumbianischer Abstammung leben. Und sie hat viele Frauen zur Wahl motiviert. Auch auf ihr ruhen viele Hoffnungen.

Deutsche Sozialdemokratie als Vorbild

Viele KolumbianerInnen hatten und haben Angst vor dem linken Parteienbündnis. Sie befürchten katastrophale Zustände mit Enteignungen, wirtschaftlichem Zusammenbruch und Armut wie im benachbarten Venezuela. Der künftige Präsident Petro versucht diese Bedenken zu zerstreuen. Er orientiere sich u.a. an der deutschen Sozialdemokratie hieß es in einem seiner Interviews. Warten wir es ab. Ich wünsche den Menschen hier in diesem wunderschönen Land so sehr, dass die soziale Ungleichhheit abnimmt, der Friedensprozess weiter vorangetrieben wird, die Korruption, Gewalt und Kriminalität weniger wird, die Armut abnimmt.

Abenteuer Motorrad fahren

Herausfordernd und schön

In Berlin war ich gerne mit meinem roten Motorroller unterwegs. Im bergigen Kolumbien mit den vielen Schotterstraßen und Schlaglöchern fährt man besser mit einem gut gefederten, geländegängigen Motorrad. Ich gewöhne mich langsam an die steilen Straßen, an Schlaglöcher, hupende, rechts und links rasant und riskant überholende Fahrzeuge, Schlaglöcher, Pferde, Menschen und Hunde auf den Straßen und übe das Fahren mit Schaltung. Mir gefällt dieses Dazulernen. Und es ist wahrlich ein Abenteuer in dieser tropischen Landschaft unterwegs zu sein. Die Ausblicke auf die Berge sind immer wieder atemberaubend schön.

Die gewaltreiche Seite Kolumbiens

Kolumbien hat eine sehr gewaltreiche Geschichte. Seit über 70 Jahren herrschen Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen in vielen Regionen dieses schönen Landes. 2016 wurde zwischen der Regierung und der Guerillaorganisation Farc nach jahrelangen Verhandlungen ein Friedensvertrag geschlossen. Die Hoffnung der Menschen war groß, dass die Gewalt ein Ende haben würde. Die Skepsis, dass das gelingt, war ebensogroß. Die Ernüchterung: es hat sich wenig geändert: Die Umsetzung der Entmilitarisierung und Resozialisierung der ehemaligen Guerillakämpfer stockt, Gelder werden nicht wie geplant freigegeben, Programme nicht umgesetzt, in den letzten beiden Jahren wohl auch wegen der Pandemie. Nach wie vor gibt es Gewalt und auch die rechtsgerichtete Regierung und Paramilitärs sind daran beteiligt.

Gewalt, Guerrilla, Paramilitär, Vertreibung, Korruption, Mafia, Kriminalität

Es ist undurchschaubare, komplexe Gemengelage. Sozial engagierte Menschen, die sich für ein friedvolles Gemeinwesen und die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzen, werden umgebracht. Allein dieses Jahr gab es über 60 Morde. Das Machtvakuum in den Gebieten, in denen die Guerrilla ihre Waffen tatsächlich abgegeben hat, haben teilweise kriminelle Gruppen genutzt. In einigen Gegenden auf dem Land gibt es mafiöse und kriminelle Strukturen, Vertreibungen und Schutzgelderpressungen. Es gibt mehrere Millionenen Binnenflüchtlinge, die nur so ihr Leben retten können. Viele Kolumbianer*innen leben im Ausland. Was für eine Realität.

Polizei- und Militärpräsenz

Im Alltag merke ich wenig von der gewaltreichen Realität in manchen Gegenden des Landes. Was auffällt: In den Städten und Dörfern gibt es relativ viel Polizeipräsenz in schusssicheren Westen. Mir suggeriert das ein gewisses Maß an Sicherheit. Öffentliche Gebäude werden von privaten Sicherheitskräften bewacht, auch Militär ist häufig präsent, teils mit furchteinflößenden Waffen. Vor allem in großen Städten bin ich achtsam unterwegs. Wenn es dunkel ist bewege ich mich alleine nur in belebten Gegenden. Wie sicher leben wir doch in Deutschland…

Demokratische Wahlen?

Ende Mai sind hier Wahlen. Die Hoffnung auf positive Veränderungen sind gering. Korruption scheint alle Parteien zu durchdringen. Der Einfluss multinationaler Konzerne ist groß. In Medellín gab es diese Woche Demonstrationen, bei denen stets die Gefahr von gewaltreichen Auseinandersetzungen besteht. Es gibt keine Tradition friedlicher Demonstrationen, auf denen auch regierungskritische Haltungen akzeptiert werden. Daher halte ich mich von Menschenansammlungen fern, zumal vor den Wahlen vor Unruhen gewarnt wird.

Umgang mit der Realität

Fast jede Familie hat jemanden aus der Familie durch eine Gewalttat verloren. Wenn ich Menschen auf die gewaltreiche Realität anspreche, zucken sie mit den Schultern und sagen, ja, das sei schlimm, aber was solle man machen. Es ist eine Mischung aus Resignation und Akzeptanz. Und: Ein Rückzug ins Private, ein Leben im Moment, im Hier und Heute nach dem Motto „Wer weiß, was morgen ist“. An den Wochenenden wird lautstark gefeiert. Ich staune immer wieder über die gute Laune und herzliche Freundlichkeit der meisten Menschen, egal ob sie arm oder reich sind.

Medellín, auf 1500m Höhe, umgeben von hohen Bergen

Über 4 Monate in Kolumbien

Kleine Bilanz

Die Zeit Sie scheint zu verfliegen. Was für ein Ausdruck. Zeit ist doch immer gleich viel da. Es ist die Frage wie wir sie erleben. Ich erlebe eine intensive Zeit, reich an neuen Erfahrungen, Erlebnissen und Eindrücken, lerne viel dazu, lerne mich besser kennen, lerne Menschen kennen, die Kultur und wie das Leben hier gelebt wird. Es ist so, wie ich schon bei der Planung meines Umzuges nach Kolumbien gedacht habe: es ist vor allem eine Reise zu mir selbst. Mit Höhen und Tiefen. Glücklichen und weniger glücklichen Momenten. Und mit einem neuen Alltag, den ich mir frei gestalten kann, da ich viel unverplante Zeit habe. Hierfür bin ich dankbar.

Krieg Dieser Krieg in der Ukraine nimmt mich sehr mit und ich fürchte mich vor einer noch größeren Eskalation. Er ist so sinnlos, bringt Tod und Leid. Er ist auch hier Thema und macht die Menschen betroffen. Ich spüre meine Ohnmacht. Was kann ich tun? Ich habe Geld für die Flüchtlingshilfe gespendet. Und ich habe beschlossen, mein Leben trotzdem weiter zu genießen, gut für mich zu sorgen und weiterhin liebevolle, friedvolle Beziehungen zu gestalten und zu pflegen.

Das Zusammenleben in der 50qm-kleinen Wohnung zu zweit ist schön und bereichernd. Ich bin ja auch deshalb hierhergezogen, weil ich zu Beginn der Pandemiezeit in Deutschland gemerkt habe, dass ich nicht mehr allein leben möchte. Wir haben die Wohnung schön weiß gestrichen, Türen einbauen lassen und ich habe mein kleines Zimmer schön eingerichtet. Und es ist auch herausfordernd, weil ich mich an die hiesigen Gegebenheiten erst anpassen musste und das Zusammenleben so manche Absprachen verlangt. Da werde ich mit meinen Eigenarten und Gewohnheiten aus jahrzehntelangem Alleinleben ganz schön konfrontiert. Auch sprachlich bin ich sehr gefordert und so manches Missverständnis galt es schon zu klären. Es lebe die Kommunikation! Ich gönne mir immer wieder Auszeiten auf dem Land im schönen Jardin, über die ich an anderer Stelle schon geschrieben habe.

Der Straßenverkehr Der Verkehr ist chaotisch und laut, als Fussgänger*in wird man selbst an den Zebrastreifen nicht beachtet. Motorräder schlängeln sich durch die Autoschlangen, überholen rechts und links auf halsbrecherische Weise. Die Busse rasen knatternd durch die Straßen, alle scheinen es eilig zu haben. Sie halten in der Stadt auf Zuruf oder Zuwinken dort, wo man ein- bzw. aussteigen möchte. Das finde ich wunderbar. Und ein paar feste Haltestellen gibt es auch. Eine Ansage im Bus, wie diese heißen, gibt es jedoch nicht. Beeindruckend sind die riesigen, lauten, furchteinflößenden Lastwagen, die über die Straßen brettern.

Freundliche Begegnungen Zwangsläufig muss ich, wenn ich alleine unterwegs bin, oft fragen und um Orientierungshilfe bitten. So manches Mal ergeben sich daraus schöne Gespräche. Mir wird dabei häufig viel Wertschätzung geschenkt, ich werde in Kolumbien willkommen geheißen. Das berührt mich immer wieder sehr. Wir Deutschen haben hier einen guten Ruf.

Freundliche Menschen Die meisten Menschen grüßen den Busfahrer beim Einsteigen und bedanken sich. Auch beim Aussteigen fehlt selten das gracias = danke. Das gefällt mir sehr. In den Berliner Bussen habe ich das danke selten gehört. Das ist schade. Denn ein Danke ist doch, genau wie ein Lächeln eine so schöne Geste und stellt eine wunderbare Verbindung zwischen Menschen her.

So viel Herzenswärme

Wohltuende Alltagsbegegnungen mit fremden Menschen

Die Menschen in Antioquia, der Region um Medellín, sind so freundlich, dass mir immer wieder das Herz aufgeht und ich mich daran erinnere, warum ich genau in dieser Gegend hier in Kolumbien lebe. Es ist so leicht ins Gespräch zu kommen und ich bin froh, dass ich gut spanisch spreche und mein Spanisch nicht zuletzt durch die Kontaktfreudigkeit der Menschen hier immer noch besser wird. Zwei Begegnungen:

  1. Spaziergang durch ein Viertel am Hang Neulich war ich in einer vereda, einem Viertel außerhalb des Ortes, alleine spazieren. Es kostete mich ein wenig Mut, alleine durch die sehr engen, steilen, verwinkelten Gassen zu gehen. Über die grob gehauenen, unebenen Betontreppen ohne Geländer stolperte ich hinunter. Die Häuser sind in den Hang gebaut, Straßen für Autos gibt es an der Stelle nicht. Zwangsläufig komme ich dicht an den sehr einfachen Häusern vorbei. Ich fühlte mich etwas als Eindringling. Da mich jedoch fast alle Menschen freundlich grüßten und mir noch einen guten Tag und Gottes Segen wünschten, ging ich voller Vertrauen weiter. Auf einer kleinen Terrasse grüßte mich ein Ehepaar, Diana und Guillermo, besonders freundlich. Ich bewunderte ihre knallrote Hauswand und wir kamen ins Gespräch und verabredeten, dass ich an ihrer Tür klopfe, wenn ich wieder hier vorbeikomme. Dies tat ich einige Wochen später, wurde aufs Herzlichste begrüßt und hocherfreut ins Haus gebeten. Diana schickte eilig einen Jungen zum Lädchen an der Ecke, damit er Joghurt und Kekse für mich kaufen solle. Die Begegnung war so herzlich, so freundlich. Diana erzählte mir, dass sie gute tamales kocht und verkauft. Das ist eine hiesige Spezialität. Gemüse und verschiedene Fleischsorten werden in Banananblätter eingewickelt gedünstet. Sie will mich mal zum Essen einladen und mit mir in den Bergen wandern. Ich bin gespannt, wie der Kontakt weitergeht.
  2. Im Bus ins Zentrum von Medellín. Ich stieg alleine in den Bus ins Zentrum von Medellín. Ziel war eine Art Baumarkt. Haltestellen gibt es kaum und wenn, dann sind sie meist namenlos. Ansagen oder Anzeigen, wo der Bus hält gibt es gar nicht. Der Bus hält, wo man aus- bzw. einsteigen möchte. Das ist sehr bequem und freundlich, wenn man weiß, wo man aussteigen muss, um zu seinem Ziel zu kommen. Das ist immer wieder aufregend und zwangsläufig muss man andere Fahrgäste oder den Busfahrer fragen. Ich habe hier tatsächlich erst sehr wenige Busfahrerinnen erlebt. Eine Frau saß bei besagter Fahrt im Bus neben mir. Ihr Mann bat den Busfahrer sie an der Puente 4 sur rauszulassen. Ich vergewisserte mich bei ihr, wo sie aussteigen wollen und erfuhr, dass wir tatsächlich dasselbe Ziel hatten und schon waren wir im angeregten Gespräch und lernten uns kennen. Die 40 minütige Fahrt verging wie im Flug. Wir tauschten Telefonnummern aus und ich bin gespannt, ob wir uns wiedersehen.

Den Deutschen wird hier, wie allen Ausländer*innen sehr viel Wertschätzung, Interesse und Offenheit entgegengebracht. Mich freut und wundert das zugleich und manchmal ist es mir fast zu viel des Guten. Viele äußern auch eine Bewunderung für Deutschland. Bewundert wird der Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg, die Schaffermentalität, der Wohlstand und die Exportstärke. Ich bin immer wieder erstaunt, dass viele Menschen hier etwas über die deutsche Geschichte wissen.

Die wenigsten Häuser sind verputzt
Es geht echt steil hinauf

Ausflug aufs Land nach Jardin

Blick auf die garucha und das schöne Dorf Jardin, 4 Busstunden von Medellín entfernt. Das ist eine antike Gondel, die einen vom Dorf auf die Höhe und zurück transportiert.
Die Gondel aus Metall, früher war sie ganz aus Holz, innen mit 2 Holzbänken.Sie fährt,wenn genug Menschen mitfahren, Fahrplan gibt’s nicht. Um 19 Uhr ist die letzte Fahrt,im Stockdunkeln rast sie unbeleuchtet mit Geklapper hinunter wie ins Nichts.
Kurzes Video von der Talfahrt

Natur pur

100 verschiedene Grüntöne. Faszinierend! Kein Wunder, denn es regnet täglich oft mehrmals. Meist ist es dabei mildwarm, um die 18-22grad, manchmal aber auch richtig kühl, so dass ich mit dickem Pullover und Wollsocken unterwegs bin. Wenn die Sonne rauskommt,was glücklicherweise auch fast täglich vorkommt,ist es richtig heiß, mit Sonnenbrandgefahr, auf 1700m Höhe sticht die Sonne ganz schön. Und beim Wandern bergauf bergab in teils noch höheren Lagen komme ich so richtig ins Schnaufen.

Heute

Heute bin ich dankbar, dass ich hier in dieser schönen Gegend sein kann. Dankbar, dass ich mir das leisten kann und erlaube.

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Beim Optiker in Medellín

Neue Brillengläser für mehr Durchblick

Vom vielen PC- und Smartphonegucken oder alters- oder genetisch bedingt hat sich meine Sehfähigkeit verschlechtert. Seit Monaten schon schob ich einen Besuch im Optikerladen vor mir her und nahm mir vor in Medellín zu Olgas Optiker ihres Vertrauens zu gehen, von dem sie mir vorgeschwärmt hat. Sie begleitete mich, worüber ich aus drei Gründen wirklich froh war.

  1. Verwirrende Adressangaben. Adressen zu finden ist echt kompliziert in Kolumbien, erst recht in den Großstädten. Medellín ist mit ca. 3,5 Mill. Menschen die zweitgrößte Stadt Kolumbiens. Selbst Taxifahrer*innen haben oft Mühe Adressen zu finden, trotz Navigationsgerät. Es gibt hier kaum Straßennamen.Die Straßen haben Nummern und Buchstaben. Und es gibt calles=Straßen und carreras=Straßen und diagonales=diagonale Straßen und transversales=???, also ich habe da noch nie durchgeblickt.
  2. Ohrenbetäubender Lärm. Das Optikergeschäft liegt an einer sehr befahrenen Straße und ist bei diesem schönen Dauersommerwetter zu dieser hin komplett offen. Das ist gut, um die Coronaansteckungsgefahr zu minimieren. Da aber Autos, Busse, Lastwagen, Motorräder vorbeidonnern, konnte ich bei der Aufnahme meines Anliegens und meiner Daten kaum ein Wort verstehen. Und mit Maske ist es ohnehin schwierig für mich etwas zu verstehen.
  3. Wiedersehen macht Freude. Der Optiker freute sich sehr Olga wiederzusehen. Und ich fühlte mich schnell auch ganz wohl und war voller Vertrauen in seine Kompetenz. Zu zweit macht das einfach auch mehr Spaß und hinterher waren wir lecker essen.

Die Augenuntersuchung und der Sehtest erfolgten glücklicherweise im ruhigeren hinteren Teil des Ladens, so dass ich mich selbst verständigen konnte. Diese Unabhängigkeit von anderen ist mir wichtig merke ich immer wieder… Anders betrachtet: Ich darf lernen, dass ich Hilfe annehmen darf ohne mich klein und abhängig zu fühlen. Von der Technik war ich beeindruckt und bin sehr gespannt auf meine neuen Brillen, eine davon ist speziell für die Arbeit am PC. Beide werden in meine bisherigen Brillengestelle montiert. Ein Hoch auf die Gewohnheit und die Leichtigkeit meiner Gestelle. Das Ganze kostet hier viel weniger als in Deutschland. Mal sehen, wie ich damit zurechtkomme.

Handwerker im Haus

Einfach anders

Neulich hatten wir einen Handwerker, Don Ramòn, in unserer Wohnung. Er hat einen von ihm vor Wochen eingebauten neuen Wasserhahn, der nicht dicht war, ausgewechselt und einen neuen eingebaut. Vier mal war hierfür ein Termin ausgemacht worden, vier mal kam er nicht. Dann endlich hat es geklappt. Hurra! Es war wirklich interessant: Er fragte Olga, mit der ich hier wohne und die diese Unzuverlässigkeit ganz gelassen hinnahm, mehrmals um Schraubenschlüssel, da er keine passenden dabei hatte. Glücklicherweise ist sie mit Werkzeug gut ausgestattet, ansonsten hätte sich das alles noch mehr in die Länge gezogen. Ich wunderte mich und dachte dann bei mir, o.k., so geht es auch.

Noch mehr Verwunderung

Meine Verwunderung ging noch weiter, als er Maß genommen hat für zwei Türen, die wir einbauen lassen wollen: Er diktierte Olga die Maße und bat sie, dass sie ihm diese per whatsapp zusenden solle, genauso wie die Fotos der Badezimmertür als Türmuster und die Stellen, an denen die Türen angebracht werden sollen. Don Ramón verabschiedete sich schließlich und sagte er werde einen Tischler beauftragen, der dann selbst noch vor Ort Maß nehme. Das erscheint mir sehr sinnvoll. Mal sehen, wann dieser sich meldet und dann auch kommt. Auf Olgas Nachfrage, ob denn die whatsapp-Nachrichten angekommen seien, bejahte er diese und teilte mit, er sei jetzt auf der Suche nach günstigen Türen. Diese zu finden sei gar nicht so einfach. Mal sehen, wann es weiter geht und wir Räume mit Türen haben werden. Was gut tut: Tief durchatmen und gelassen bleiben.

Diese Situationen habe ich einer kolumbianischen Freundin erzählt. Sie hat herzhaft gelacht und sich köstlich amüsiert. Was auch gut tut: Humor!

El año nuevo – das Neue Jahr

Ich wünsche Dir ein Neues Jahr voller Glück, Gesundheit und Gelassenheit, sympathische 3 G fällt mir da gerade auf ; )) Und: Viel Liebe und inneren und äußeren Frieden!

Liebe und Frieden wünschen sich die Menschen hier in Kolumbien oft, nicht nur zum Neuen Jahr. Möglicherweise liegt der Wunsch nach Frieden daran, dass es hier seit Jahrzehnten kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Guerillagruppen, Paramilitärs, Mafia, Kriminellen gibt, mit vielen Opfern, Traumatisierten, Vertriebenen, Millionen von Binnenflüchtlingen und die meisten Menschen sehnen sich sicherlich nach Frieden und Sicherheit. Die Ungleichheit zwischen wenigen Reichen und vielen armen Menschen ist krass, die Armut groß. Das ist täglich sichtbar, wenn man mit offnen Augen durch die Straßen geht. Und ständig muss man an die Sicherheit denken und wie und mit wem man sich v.a. nachts draußen sicher bewegt. Wie es mir damit geht und wie ich damit versuche umzugehen, darüber werde ich einen eigenen Artikel schreiben. Zurück zu den guten Wünschen: Wer sehnt sich nicht nach Liebe? Liebe zu anderen Menschen, Liebe zu sich selbst, Liebe zur Natur, zu dem Schönen, zu dem was das eigene Leben lebenswert macht… El año nuevo, bei uns Silvester, wird mit Böllern, ausgelassenen fiestas, familiären Zusammenkünften privat, in Bars, Restaurants und auch auf den Straßen gefeiert. Es wird getanzt, sehr laut Musik gehört und teils exzessiv Alkohol getrunken. Am 1.1. bin ich am frühen Abend (um 18.30 Uhr wird es hier schnell dunkel) durch den Ort gegangen und war sehr erstaunt über die Atmosphäre in den Straßen im Zentrum: Aus den vielen Bars, Cafés und Restaurants schallte ohrenbetäubend laute spanische Musik aus riesigen Boxen, die Menschen unterhielten sich laut und temperamentvoll, viele sangen die Texte voller Inbrunst mit. Es waren bei lauem Sommerwetter viele Menschen unterwegs, flanierten durch die Gassen, grüßten einander. Mir war das laute Treiben schnell zu viel und ich war froh, dass es in unserem Wohnblock etwas entfernt vom Ortszentrum relativ ruhig war. Es wummert auch hier oft laute Musik aus der Nachbarschaft, so dass ich tief durchatmen muss und, wenn die Musik mir nicht gefällt, zu meinen Ohrstöpseln greife. Was für eine lautstarke Feierkultur. Je lauter desto Lebensfreude, so scheint es. Den Moment leben, feiern, ausgelassen sein, nach dem Motto wer weiß was morgen ist… Das Hier und Jetzt, das Zusammensein und das Leben ausgelassen feiernd. Irgendwie ist das auch beeindruckend.

Nachts leuchteten in diesen Tagen immer wieder globos am Himmel, das sind Ballons, die mit Feuer betrieben werden und hoch hinaufsteigen. Einmal sahen wir 80 – 100 am Himmel. Es sah phantastisch aus. Wir hofften sehr, dass nichts passiert, dass alle irgendwann in der Luft verbrennen und kein Feuer gelegt wird.

Geselliges Kochen über offenem Feuer

Am Neujahrstag machen die Menschen auf den Straßen vor ihren Häusern in riesigen Töpfen über Holzfeuer Sancocho. Das ist ein Eintopf, der, über Holzfeuer gekocht, besonders gut schmeckt. Diese Zutaten werden lange miteinander gekocht: Kartoffeln, Kochbananen, Hähnchenfleich, Rindfleisch, Koriander, Zwiebeln, Jukka. Dazu wird Reis, Avocado und Salat gegessen. Lecker!

Weihnachten in Kolumbien

Bereits Anfang Dezember beginnt hier la epoca de navidad,die Weihnachtszeit. Überall sind Straßen und Plätze mit bunten Weihnachtsfiguren geschmückt. Nachts funkeln und blinken Lichter überall. Kaum ein Balkon, eine Tür oder ein Fenster ist nicht geschmückt mit Weihnachtsschmuck,Kränzen, Schleifen,Kugeln, Lichterketten in allen Farben. Es erinnert mich an Discolichter und ist für meinen Geschmack viel zu viel Geflimmer überall. Eine Freundin von mir würde sagen das produziert Augenkrebs ; )) Dieses Jahr sind es wohl besonders viele Lichter. Letztes Jahr an den Weihnachtstagen war pandemiebedingt komplette Ausgangssperre und die Beleuchtung war an vielen Orten nicht angebracht worden. Weihnachten wird in ausgelassenen fiestas gefeiert,mit ohrenbetäubend lauter kolumbianischer Musik,Tanz, viel Essen und viel Alkohol. Es gibt viele Böllerschüsse. Und am 7.12., dem Tag des Lichtes, an dem einer Heiligen gedacht wird, werden Kerzen angezündet, draußen vor den Türen oder auf den Balkonen. Die Menschen treffen sich gerne draußen. Musik schallt aus allen Richtungen. Dezember ist hier in und um Medellín die wärmste Jahreszeit,schön sommerwarm, tagsüber bis 28grad, nachts kühlt es etwas ab.